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Schöner Schein und falsche Behauptungen die Kampagne von Lidl

Schöner Schein und falsche Behauptungen – die Kampagne von Lidl

Die Werbeagentur Freunde des Hauses ist ein Unternehmen, dass aus Wasser Wein machen kann und damit auch Erfolg hat. Sein Kunde ist der Billigdiscounter Lidl, der mit dieser Qualitätsoffensive sich in eine neue Wahrnehmungsetage katapultieren will.

Das zentrale Motto heißt: „Woran erkennt man eigentlich gute Qualität?“ Dabei werden alle Register der emotionalen Aufmerksamkeiten gezogen. Die Spots überzeugen die Werbeprofis und auch potenzielle Kunden – das ist Profiarbeit. Lidl hat sich, was die Markenwahrnehmung betrifft unter die aktuellen Highlights wie Haribo oder Opel gesellt. Rein werbetechnisch betrachtet, könnte man Respekt in den Ring rufen.

Die Verdrehungen von Wirklichkeiten übersteigen aber die üblichen inszenierten Traumwelten der Branche. Die Macher der Spots imaginieren optisch die Originalität der Arts- und Craftsbewegung und die urige Atmosphäre eines Handwerksbetriebs. Das hat mit dem wirklichen Landleben so viel zu tun wie die städtischen Leserinnen und Leser des Magazins „Landlust“ mit dem wirklichen Geschehen auf dem Bauernhof. Aber die Vorspiegelung falscher Tatsachen kommt an – und das zählt.

 

Schauen wir uns einige Beispiele genauer an. Lidl frägt: „Woran erkennt man eigentlich gutes Fleisch?“ Gutes Rindfleisch erkennt man daran, dass das Tier mehrere Jahre auf einer grossen Weide lebte, in erster Linie Gras bekommen hat und dann das Fleisch sehr sorgsam und langsam bearbeitet wurde. Erst dann landet es auf unseren Tellern. Und wir schmecken es – Lidl Kunden leider nicht. Das gilt auch bei Schwein und Pute. Kennen die Kunden von Lidl die Situation der Massentierhaltung in Niedersachsen oder Brandenburg? Die ganze Wertschöpfungskette entlang wird hier gnadenlos gedrückt. Die Tiere werden gedrückt, die Bauern werden gedrückt, die Schlachter werden gedrückt. Der Preis passt dann. Das ist über der Schmerzgrenze und inzwischen auch in den Medien präsent. Die Werber dröhnen aber dagegen an. Es muss gut Geld in der Werbekasse sein.

Guten Wein erkenne man, im Rahmen der Kampagne „an seiner klaren Farbe, seinem charakteristischen Geruch und der aromatischen Fülle (…)“. Bei mir in Freiburg Haslach ist eine Flasche Rosé für unter 2,00 Euro im Angebot. Das überlebt kein Winzer und hat mit der propagierten Nachhaltigkeit nichts zu tun. Ich weiss, jetzt gibt es in einigen Filialen von Lidl Holzkisten mit teureren Weinen. Das ist aber ein typisches Beispiel von „Greenwashing“, bei dem der Kunde geködert werden soll. Er soll dann noch Joghurts für 0,29 Euro mitnehmen. Man frägt sich, wer hier eigentlich noch Geld verdient und was es mit der Qualität der enthaltenen Früchte auf sich hat.

Brot erkennt man bei Lidl „an wertvollen Zutaten, einer knusprigen Kruste und am köstlichen Duft“. Vor dem Brötchen und Brotregal steht dann „Wir backen täglich frisch“. Aber auch dies ist eine Mogelpackung. Es geht nur um „frisches“ Aufbacken. Weiss der Kunde, dass hier Labor-Enzyme enthalten sind, die die schockgefrorenen Backwaren wie frische Bäckerbrote aussehen lassen? Zudem finden sich immer mehr Pestizidrückstände im konventionellen Getreide, die sich eher früher als später im Urin nachweisen lassen. Das kommt in der heilen Welt der schönen Worte und Bilder natürlich nicht vor. Macht aber nichts. Lidl legt in den Social Media Kanälen nach. Sternekoch Kolja Kleeberg stellt sich mit seiner Kochshow in den Dienst der Kampagne. Man beginnt sich die Haare zu raufen.

Die Kampagne steht nicht allein. Inzwischen gibt es grüne Coca Cola, das urige alte Fanta und jeder Supermarkt hat mindestens eine Bio-Linie und pflegt einige Premiummarken mit ein. Dabei machen die Discounter die kleinen Strukturen, die sie optisch oberflächlich anpreisen kaputt. Das ist die tragische Ironie der Geschichte. „HALTE was du versprichst“ lautet eine Kernbotschaft von Freunde des Hauses. Kleine Metzger und Bäcker schlagen in der Republik bei Anschauen der Werbespots die Hände über dem Kopf zusammen.

Was ist zu tun? Es gibt nur eine Lösung. Wir als Kunden und Verbraucher müssen unsere Marktmacht dort einsetzen, wo Begriffe wie Nachhaltigkeit wirklich mit Leben gefüllt werden.

Georg Lutz ist Politologe, wohnt in Freiburg und hat eine Lidl-Filiale um die Ecke, in der er Feldforschung betreiben kann.

Quelle http://amorebio.de/de/content/kolumne/id/1179

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